KRITIK – WARUM ES SCHWIERIG IST MIT KRITIK UMZUGEHEN

Es gibt Menschen, die mit Kritik sehr gut umgehen können und andere können Kritik überhaupt nicht ertragen. Ich habe mich immer gefragt, warum ich es manchmal schaffe Kritik anzunehmen und bei einer weiteren Gelegenheit, mich angegriffen fühle und ungehalten reagiere. Ja, auch mir fällt es überaus schwer, mit so mancher Kritik umzugehen. Für mich habe ich einen Punkt gefunden, an dem ich ansetzen konnte, mich persönlich kennen zu lernen und das zu verstehen.

Kritik – Was berührt sie in mir

Bis vor wenigen Monaten habe ich die Schuld im Aussen gesucht, wenn es um meinen persönlichen Umgang mit Kritik ging. Ich dachte, wenn mich Kritik innerlich aufwühlte, diese Kritik sei unberechtigt oder falsch geäussert oder diese spezielle Person hat kein Recht mich zu kritisieren. Vor einigen Monaten stellte ich aber etwas Interessantes an mir fest:

Ich wurde von einer Person, bei 2 unterschiedlichen Gelegenheiten kritisiert, deren Meinung ich hochschätze. Die erste Kritik war in harten und sehr direkten Worten an mir geäussert. Ich konnte sie annehmen, verarbeiten und in mein Vorgehen integrieren. Bei der zweiten Gelegenheit äusserte dieselbe Person Kritik an mir, mit sehr gewählten Worten und einem wohlwollenden Tonfall. Bei dieser zweiten Gelegenheit war es für mich sehr hart, ruhig und beherrscht zu bleiben und nicht sofort zu beginnen, Gegenargumente aufzubringen.

Was war der Unterschied?

Einige Stunden nach der zweiten Gelegenheit stellte ich mir genau diese Frage, da zwischen den beiden Gelegenheiten nur wenige Tage lagen. Einige Tage später ging ich zu dieser, von mir geschätzten Person, und fragte nach, warum er bei der einen Gelegenheit sehr harte und direkte Worte wählte und bei der Anderen, wirklich vorsichtig mit mir sprach. Die Antwort überraschte mich: «Weil ich wusste, in dem einem Fall kannst Du damit gut umgehen und im anderen Fall trifft es Dich sehr hart!».

Es war weder die Person noch die Art noch der Inhalt. Nein! Im ersten Fall berührte die Kritik keinen wunden Punkt in mir und im zweiten Fall traf es genau ins Schwarze und berührte exakt den wunden Punkt.

Mir wurde klar, ob ich in der Lage bin Kritik anzunehmen, hat nichts mit der Kritik zu tun, nichts mit der Person, nichts mit der Art. Es ist die Frage, welchen Punkt die Kritik in mir trifft!

Diese Erkenntnis war für mich bahnbrechend. Denn damit Verstand ich, warum in mir überhaupt der Widerstand gegen Kritik aufkommt. Allein diese Erkenntnis reichte aus, einen Prozess loszutreten, der automatisch dazu führte, Kritik besser annehmen zu können:

• ICH habe es in der Hand, wie ich mit Kritik umgehe
• Es ist in MEINER Macht, den Inhalt der Kritik zu hören, ungeachtet der Worte, der Person oder des Themas
• Damit kann ICH viel mehr und schneller, Kritik in mein Leben integrieren und mehr Erfolg haben

Es wäre gelogen zu behaupten, heute kann ich jede Kritik widerstandsfrei annehmen. Nein! Es kommt immer wieder vor, dass ich diesen Widerstand und diese Erregung in mir fühle, mich dagegen aufzulehnen und mit Rechtfertigungen kontern möchte. Es wäre auch nicht wahr zu behaupten, den Inhalt jeder Kritik mittlerweile hören zu können, unabhängig von Person oder Art.

Aber was ich mittlerweile immer mehr beherrsche: wenn ich diesen Widerstand in mir aufsteigen spüre, mich zu fragen:

• «Warum reagierst Du so?»
• «Welcher wunde Punkte, wird in Dir gerade getriggert?».

Und so schaffe ich es, mir immer öfter Kritik ruhig anzuhören, auf den Inhalt zu achten und folgendes zu tun:

• Nachzufragen, warum mein Kritiker glaubt, diese Kritik sei angebracht
• Ich wiederhole den Inhalt der Kritik und frage nach, ob ich die Kritik richtig verstanden habe
• Im Anschluss bedanke ich mich und erkläre darüber nachzudenken
• Wenn ich dann für mich bin, lasse ich mir die Punkte in meinem Gedächtnis noch einmal Revue passieren und finde heraus, welchen der Punkte ich in mein Leben integrieren könnte und mir daraus ein Vorteil erwachsen könnte oder welcher der Punkte mich zu einem besseren Menschen machen würde
• Die Punkte für die ich aktuell keine passende Anwendung finde, kann ich gehen lassen
• Ich bin ruhiger und gelassener und kann sofort wieder auf meine Kritiker zugehen, ohne irgendwelche Ressentiments

Wie gesagt – ich schaffe das immer öfter. Oft aber ist nach wie vor ein Kampf. Und gelegentlich schaffe ich es immer noch nicht! Trotzdem, ich kann für mich einen deutlichen Fortschritt erkennen.

Jetzt muss ich aber dazu erwähnen, schon immer ein Mensch gewesen zu sein, der auf seine persönliche Weiterentwicklung sehr bedacht war. Kritik habe ich, wenn ich objektiv dazu in der Lage war, schon immer willkommen geheissen. Denn dadurch konnte ich meine Aussenwirkung kennenlernen, meine Fehler verkleinern und besser werden. Aber es gab und gibt noch immer den einen oder anderen Trigger, mit dem man mich unter Umständen und mit der richtig angesetzten Kritik, auf die Palme bringen kann.

Ich bin ein emotionaler Mensch. Deshalb kann ich mich schnell für eine Sache begeistern oder mich schnell darüber aufregen. Grundsätzlich zeigt mir meine Erfahrung, sachlich nüchterne Menschen scheinen besser mit Kritik umgehen zu können. Dabei habe ich allerdings gelernt, es sieht nur so aus! Kritik zehrt an allen Menschen – egal ob emotional oder nüchtern. In den Nüchternen kommt die Emotion nur nicht aussen oder steigt nicht so schnell auf. Aber in ihnen brodelt es irgendwann genauso, wie es in mir sofort beginnt sich aufzuwühlen.

Egal ob Du ein emotionaler oder ein sachlich nüchterner Mensch bist – beide Seiten haben im Umgang mit Kritik ihre Vor- und Nachteile:

• Bei den Emotionalen ist das Gefühl sofort da und erkennbar. Als emotionaler Mensch kannst Du schnell den aufkommenden Widerstand in Dir spüren und lernen, dieses Gefühl wahrzunehmen und Dich zu beruhigen und auf den Inhalt der Kritik hören zu können. Der Nachteil ist, leicht manipulierbar zu sein. Da Deine Emotionen sofort und leicht erkennbar sind, kann ein geübter «Manipulator» mit Dir spielen, wie im Falle eines ferngesteuerten Modellautos.
• Als sachlich nüchterner Mensch ist es Dir leichter möglich, sofort auf den Inhalt der Kritik zu hören. Wird aber an Dir öfter Kritik geübt, die Du aus welchen Gründen auch immer nicht akzeptieren kannst, entstand langsam, aber stetig ein Druck, wie in einem Dampfkochtopf. Dieser entstehende Druck findet kein Ventil. Er staut sich auf und niemand kann es von aussen erkennen und unter Umständen, auch Du selbst nicht. Und irgendwann explodierst Du. Und weder Du noch Deine Umwelt sind in der Lage wahrzunehmen, warum Du jetzt, vielleicht bei einer Banalität, durch die Decke gehst.

• Erkenne, wenn Du in eine defensive Haltung rutschst

Wir fallen in eine defensive, verteidigende Haltung, wenn wir Dinge hören, mit denen wir nicht einverstanden sind. Wenn Du also an Dir feststellst, Du beginnst Dich auf kleine Fehler in der Aussage Deines Kritikers zu fokussieren oder auf Über- oder Untertreibungen – dann ist es Zeit den Erwachsenen in Dir zu erwecken. Der Erwachsene der auf den globalen Inhalt hört und nicht die Kleinigkeiten oder die Fehler in der Aussage sucht.

• Atme

Eine defensive mentale Haltung zeigt sich als erstes in Deinem körperlichen Ausdruck. Ich als Experte für Microexpressions und Körperhaltung, erkenne sehr schnell, wenn jemand sich von mir «getroffen» fühlt. Wenn Du also eine aufsteigende körperliche Anspannung fühlst, nimm einige tiefe und bewusste Atemzüge und beruhige Dich.

So kannst Du es schaffen, den Inhalt der Botschaft zu hören und nicht die Vortragsweise.

• Höre zu, um zu verstehen

Höre genau zu, um Dinge zu finden, mit denen Du übereinstimmst. Unterbrich nicht, diskutiere nicht oder beginne nicht Deinen Kritiker zu kritisieren – weder gedanklich noch verbal. Auch wenn Du berechtigte Einwände hast, ist jetzt nicht die Zeit diese zu äussern. Bringe sie bei einer anderen Gelegenheit, in einer ruhigen und entspannten Atmosphäre zur Sprache.

• Entschuldige Dich für Deinen Teil

Die Fähigkeit Dich zu entschuldigen, für den Teil, der in der Verantwortung liegt, zeigt Deinem Kritiker, Du bist in der Lage Verantwortung zu übernehmen. Du willst nicht nur ausweichen. Shifte Dich bewusst aus dem Angriffs- oder Verteidigungsmodus, hinein in den Kooperationsmodus. Spare Deine Gedanken über die Verantwortung Deines Kritikers, für einen späteren Zeitpunkt auf.

• Lass Deinen Kritiker oder Angreifer Deine Bereitschaft erkennen, darüber nachzudenken

Auch wenn ihr zu keiner Lösung oder Übereinkunft kommen konntet, lasse Dein Gegenüber wissen, dass Du über die Punkte in Ruhe nachdenkst und seine Gedanken wirklich ernst nimmst. «Es ist ziemlich schwierig für mich, mir Deine Aussagen anzuhören. Aber ich möchte das Du weisst, ich nehme es mir zu Herzen und denke darüber nach. Vielen Dank für Deine Ehrlichkeit!».

Gerade das Bedanken am Ende, wird viel Druck aus der Situation herausnehmen und die Wogen sich schneller wieder glätten lassen.

• Lass es Dein Gegenüber wissen, wenn Du gerade nicht in der Lage bist zuzuhören

Es ist Dein Recht, solche Gespräche auf einen neuen Termin zu verschieben. Man ist nicht immer in der Lage sich Kritik anzuhören. Dabei ist es wichtig, Deinen Kritiker wissen zu lassen, dass Du ihn und seine Bedenken ernst nimmst, Du aber gerade nicht in der Lage bist, diese Gedanken aufzunehmen: «Mir ist sehr wichtig zu hören, was Du zu sagen hast! Ich bin nur gerade sehr gestresst / erschöpft / müde / unter Zeitdruck / was auch immer… Ich wäre sehr dankbar Deine Gedanken später zu hören. Sollen wir einen Termin vereinbaren? Vielen Dank für Dein Verständnis!».

Wenn Du Deinem Gesprächspartner wissen lässt, seine Gedanken ernst zu nehmen, für IHN verständlich begründest, warum es gerade nicht geht, er einen Termin von Dir bekommt, an dem er Dir seine Bedenken mitteilen kann und Du Dich für sein Verständnis bedankst – dann steht Dir schon ein sehr ignoranter Mensch gegenüber, wenn er darauf nicht eingeht. Ich kenne solche Menschen persönlich – die gibt es!

In einem solchen Fall kann ich Dir nur empfehlen, wie oben vorzugehen. Wenn er einfach weiterspricht oder auf eine sofortige Aussprache besteht, gibt es für Dich noch immer keinen Grund darauf einzugehen. «Wie gesagt: ich will Deine Bedenken vollständig verstehen. Das kann ich aber jetzt nicht. Bitte lass uns am … darüber sprechen», drehe Dich um und verlasse den Ort.

• Erzähle Deine Sicht der Dinge

Möchte Dein Kritiker eine wirkliche Aussprache und Du stellst fest, er ist in der Lage auch Deine Seite zu hören und zu verstehen, ist dies durchaus auch eine Möglichkeit. Dann solltest Du Deinem Gegenüber klar, aber freundlich mitteilen, was Dein Standpunkt ist.

Mache nicht eure persönliche Beziehung zum Thema des Gesprächs. Versuche nicht um jeden Preis den Frieden zu bewahren, vor allem dann nicht, wenn Du einen komplett anderen Standpunkt vertrittst. Es bringt nichts einen Konflikt unter allen Umständen vermeiden zu wollen. Ein Konflikt wird sich seine Bahn suchen und auftreten oder Du wirst krank, wenn Du Dich immer nur zurücknimmst.

Aber, nach wie vor ist das Timing und das Taktgefühl alles!

Mit Timing und Takt kannst Du das Gespräch auf einen besseren Zeitpunkt verschieben, wenn dann für Dich eine bessere Chance bestehen könnte, auch ernsthaft angehört zu werden.

Selbst die härteste Botschaft, kann mit Takt und Anstand vermittelt werden.

• Ziehe eine klare und eindeutige Grenze

Es gibt Gespräche und Menschen, die weder Takt noch Anstand erkennen lassen. Sie sind brutal, rücksichtslos und unflätig. Sollte es zu einem solchen Verhalten kommen, ziehe sofort und eindeutig eine klare Grenze: «Ich möchte mir anhören was Du zu sagen hast! Das werde ich aber nur tun, wenn Du mir mit Respekt begegnest. Andernfalls werde ich das Gespräch abbrechen und wir sprechen dann darüber, wenn Du mir Respekt entgegenbringen kannst!». Diese Formulierung kannst Du auch bei einem Vorgesetzten oder Deinem Chef verwenden. Niemand hat das Recht, Dich respektlos und herablassend zu behandeln. Egal wie reich, angesehen oder mächtig auch ist!

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